Dienstag, 16. Dezember 2014

Sind Literaturagenten gefallene Götter?

Eigentlich arbeite ich gerne mit Literaturagenten zusammen. Sie nehmen dem Autor eine Menge Arbeit ab und sind zur Zeit fast die einzige Möglichkeit ein Buch bei einem traditionellen Verlag zu veröffentlichen. Allerdings sehe ich die Zukunft dieses Berufszweigs akut bedroht.

Der Umweg eines Buches zum Verlag

Vor zwanzig Jahren schickten Autoren Exposes oder komplette Manuskripte nach Gießkannenprinzip an dutzende Buchverlage, stets in der Hoffnung, dass einer von denen die Texte tatsächlich kaufen würde. Aber irgendwann wurde den Verlagen das ständige Manuskriptlesen lästig. Sie lagerten diese Tätigkeit an externe Dienstleister, die Literaturagenten aus. Diese dienen jetzt als Bindeglied zwischen Verlag und Autor.

Was Literaturagenten machen (und was nicht)

Viele Autoren haben ein falsches Bild von Literaturagenten. Sie erwarten auf einen Sprachgourmet zu treffen. Eine Trüffelsau, die  jede literarische Feinheit im Manuskript zielsicher erschnüffeln und goutieren wird. Erweist sich die Trüffelsau als unfähige Banause, schleudert ihm der Autor erzürnt seine Blitze des Hasses - und oft auch seinen Anwalt - entgegen. Das liegt am falschen Bild, das der Autor vom Literaturagenten hat. Vermutlich gab es dieses Problem früher auch zwischen Verlag und Autor, weshalb Verlage heute ungern direkten Kontakt mit den Schreiberlingen haben.

Weder Verlage, noch Literaturagenten sind Trüffelsäue. Sie sind Verkäufer, nichts anderes. Ob ein Werk Goethe und Schiller vom Thron stoßen wird, interessiert sie nicht. Das Manuskript muss einen Verkaufswert besitzen, nur das zählt. Viele Literaturagenten haben Kühlschränke und Staubsauger verkauft bevor sie Bücher in ihren Warenbestand aufnahmen. Das ist kein Manko. Der Akt der Verkaufens hat nichts mit der feilgebotenen Ware zu tun. Ein Literaturagent muss den Markt abschätzen können, wissen was seine Kunden wollen und Verkaufsstrategien entwickeln. Das Schreiben und Verbessern von Büchern überlässt er dem Autor. Rechtschreibfehler kann notfalls ein Korrektorat entfernen, auch dafür ist der Literaturagent schlichtweg nicht zuständig.

Self publishing vs. traditioneller Verlag

Dienstleister wie Amazon und BOD haben die Verlagswelt in den letzten Jahren erneut gründlich umgekrempelt. Ein neues Buzzword steht im Raum: Self publishing ermöglicht es Autoren ihre Bücher selbst auf den Markt zu bringen - und sich somit den nervigen, unzuverlässigen und ihrer Meinung nach unfähigen Literaturagenten zu sparen. Gerade diejenigen, die das falsche Bild der Trüffelsau im Kopf haben, freut der Aufstieg der Digitalisierung. Aber schon kurz darauf folgt der Schock: Plötzlich merken sie wieviel Arbeit ihnen der Agent bis dahin abgenommen hatte. Ich kenne viele Kollegen, die jammern weil sie kaum zum Schreiben kommen. Beim Self publishing macht der Autor alles selbst. Gestaltung des Covers, Marketing, Bücher auf die Verkaufsplattformen stellen und so weiter und so fort.

Noch dazu haben sich die Autoren selbst in eine neue Bredouille geritten. Sie werteten sich selbst ab und glaubten, dass sie für selbst publizierte Bücher nicht die gleichen Preise verlangen können wie der nach wie vor hoch geschätzte Traditionsverlag. Ein Selfpublisher hat zu Beginn keinen Markennamen, also muss er sich erstmal beim Leservolk bekannt machen. Die Preise erhöhen kann er später immer noch. So die fatale Logik, die zu einer Schwemme von 99-Cent-Büchern und einem gnadenlosen Preiskrieg führte. Die Verlage lachten sich inzwischen ins Fäustchen und unterstützten fleißig das Bild vom Amateurschreiberling, der nicht bei ihnen unterkommt und jetzt notgedrungen bei KDP, BOD oder einem ähnlichen Dienst publiziert. Natürlich ist auch dieses Bild völlig falsch

Inzwischen sind viele selbstverlegende Autorenkollegen selbstsicherer geworden. Einige von ihnen, ich nenne hier mal exemplarisch Emily Bold, können auf Amazon stattliche Verkaufserfolge vorweisen. Dieser Erfolg sei ihnen gegönnt, er stärkt aber leider auch das falsche Bild vom Self publisher, der den Literaturagenten jetzt mal so richtig zeigen kann was eine Harke ist. Self publishing ist keine leichte Aufgabe. Die liebe Emily musste bestimmt vieles ausprobieren und sich auf Facebook und Co. jahrelang eine Leserschaft aufbauen, bevor sich der Erfolg bemerkbar machte. So etwas dauert länger als einen passenden Literaturagenten zu finden. Auch ein Self publisher kann sich haufenweise Absagen einfangen. Dieses Mal allerdings nicht vom Verlag oder Literaturagenten, sondern direkt vom Leser, der dem vermeintlichen Literaten mit seiner Ein-Sterne-Rezension ordentlich die Meinung geigt. Das ist schlimmer, denn hier verliert der Autor nicht nur seinen Stolz sondern auch Geld. Die miese Bewertung hält andere Käufer davon ab es mit einem potentiellen Goethe-Nachfolger zu versuchen.

Rechnet sich der Literaturagent noch?

Ich selbst habe Erfahrung mit beiden Methoden und will deshalb das Pulizieren über einen Literaturagenten ganz nüchtern mit Self publishing vergleichen. Für meinen Versuch stelle ich ein geplantes Buch, von dem zur Zeit nur der Plot, eine Kurzbeschreibung und ein paar Charakterskizzen existieren, meinem letzten Werk "Lust auf Strand" gegenüber, das ich als Self publisher auf den Markt geworfen habe.

Mehrere Literaturagenten, die das Genre Thriller vertreten, erhielten ein Anschreiben (Pitch) per Mail und eine extrem kurze Zusammenfassung der geplanten Geschichte, aus der sich die Verkaufsträchtigkeit sofort herauslesen lässt. Wie man so etwas schreibt, kannst du übrigens in meinem Thrillerkurs nachlesen.

Literaturagenten geben immer vor keine Zeit zu haben. Einer von ihnen schreibt ganz ehrlich auf seiner Webseite, dass die Bearbeitung von Autorenanfragen mindestens acht Wochen in Anspruch nimmt. Weil alle Agenturen ähnlich arbeiten, nehme ich diesen Zeitraum als üblich an. Betriebswirtschaftlich gesehen, lasse ich mich hier auf ein Geschäft mit hohem Risiko und ungewissem Ausgang ein. Ich verdiene in den acht Wochen Wartezeit keinen einzigen Cent. Möglicherweise erhalte ich nach Ablauf der Zeit nur eine aus Textbausteinen zusammengesetzte Absage - oder auch nicht. Viele Literaturagenten sparen sich diese Arbeit und melden sich gar nicht zurück

Wie sieht das nun beim Self publishing aus? In den ersten acht Wochen verkaufte ich knapp 2.000 Exemplare von Lust auf Strand. Abzüglich Steuern und anderen Gebühren verdiene ich an einem Buch 1,49 Euro. Ich habe somit 2.980 Euro in diesen acht Wochen verdient. Frei Haus bekam ich außerdem einen Eindruck geliefert wie das Geschäft bei verschiedenen Händlern laufen kann und wie sich die Verkäufe beeinflussen lassen. Anders gesagt, ich bekam Einblick in die tägliche Arbeit eines Literaturagenten.

Der Verkaufsstart von Lust auf Strand war nicht besonders glücklich, das Ding lag bei Amazon wie Blei in den Regalen. Von Matthias Matting, Betreiber des Blogs Selfpublisherbibel, bekam ich den Tipp eine Leserunde auf Lovelybooks zu veranstalten. Die brachte mir ein paar gute Rezensionen auf Amazon ein und plötzlich lief es besser bei den Verkäufen. Außerdem spannte ich den Distributor Xinxii ein, der das Buch auf weiteren Verkaufsplattformen veröffentlichte. Überrascht, aber nicht unglücklich darüber, stellte ich fest, dass vor allem die Leser auf Weltbild mein Buch mochten. Von dort kamen die meisten Einnahmen rein. Insgesamt hat mir der Weg des Self publishing deutlich mehr Arbeit beschert, ich fühle mich aber dafür reichlich entlohnt. Neben dem Geld erhielt ich unschätzbar wertvolles Wissen.

Ein Zukunftsmodell, das Literaturagenten mehr Geld bringt

Angesichts dieser Faktenlage stellt sich sofort die Frage, ob Autoren tatsächlich noch Manuskripte an Literaturagenten schicken sollen. Hat dieser Beruf seine Existenzberechtigung verloren? Die Zunft der Literaturagenten muss sich fragen lassen, ob sie noch zeitgemäß arbeitet.

Die meisten Agenten nehmen längst keine kompletten Manuskripte mehr an. Sie bitten um eine kurze Zusammenfassung oder wollen nur die ersten zwei Kapitel lesen. Kein Autor kann sie zwingen sich mühselig durch 500 Seiten zu quälen. Müsste der Literaturagent tatsächlich ein ganzes Manuskript lesen, könnte ich verstehen warum er sich acht Wochen Bearbeitungszeit gönnt. Aber so???

Einen Pitch (der die Geschichte in einem einzigen Satz beschreibt) oder ein Expose (ist nicht größer als eine halbe DIN-A-4-Seite) sollte ein Literaturagent deutlich schneller bearbeiten können. Schicke ich einen Pitch an eine Zeitungsredaktion (auch dort wird mit diesen Ein-Satz-Zusammenfassungen gearbeitet), habe ich nach spätestens nach einer Woche die Zu- oder Absage auf dem Tisch. Häufig geht es noch deutlich schneller. Warum klappt das nicht auch im Literaturbetrieb? Erfahrene Agenten können die Verkaufsträchtigkeit einer Geschichte innerhalb weniger Minuten beurteilen.Dafür sind sie lange geschult worden. Was machen die in den restlichen acht Wochen? Koksnutten vögeln? Däumchen drehen? Keiner weiß es.

Oh, ich vergaß. Ich bin nicht der einzige Autor, der Einlass in die Elfenbein-Walhalla des Literaturbetriebes begehrt. Als Grund für ihre fehlende Zeit geben Literaturagenten immer die zahlreichen Autorenanfragen an, ohne jemals einen Nachweis für diese Behauptung geliefert zu haben. Den gleichen Trick haben vor ihnen übrigens auch die Verlage angewandt. Doch reden wir die Götter des Elfenbeinturms nicht unnötig schlecht. Tun wir mal kurz so als wäre alles, was sie behaupten wahr. Jede Woche wird ihre Walhalla von 500 Autoren gestürmt. Fünfhundert Anfragen, bei denen jeder Antragsteller eine zügige Antwort erwartet.

Für dieses Problem gibt es eine simple Lösung: Jede Firma, die eine Menge Anfragen bewätigen muss, fasst mehrere gleichartige Anträge zusammen und erledigt sie in einem Aufwasch. Das nennt man Zeitmanagement. Auf diese Weise kann besagte Firma nicht nur effektiver und schneller arbeiten, sie verdient auch mehr Geld. Denn jeder einzelne Antrag stellt eine Verdienstmöglichkeit dar.

Die meisten Literaturagenturen betreuen mehrere Buchgenres. Der erste Schritt wäre die einzelnen Anfragen nach diesen Genres zu sortieren. Danach liegt kein großer Berg mit 500 Anträgen auf dem Schreibtisch, sondern mehrere kleinere. Sortiert nach Thrillern, Fantasy, Liebesromanen und was der Agent sonst noch vertritt. Jetzt heißt es gnadenlos aussortieren. Ziel ist jeden einzelnen Berg deutlich zu verkleinern, so dass jeder von ihnen nur noch wirklich verkaufsträchtige Geschichten enthält. Sagen wir zehn Stück. Das ist kein riesiger Berg mehr. Diese Arbeiten dauern bei einem alten Agentenhasen nicht länger als einen Tag.

Um sich endgültig von Müll und Dilettanten zu trennen, haut der Agent jetzt die Absagen raus. Diese Arbeit kann notfalls an ein Schreibbüro ausgelagert werden. Auf diese Weise muss sich der Agent keine Minute länger mit schlechten Pitches und Exposes herumschlagen, außerdem weiß der Autor sofort Bescheid und muss nicht weitere acht Wochen auf die Absage warten.

Jetzt wo alles bereits hübsch sortiert ist, fällt es dem Literaturagenten leicht an bestimmten Tagen nur bestimmte Genres anzubieten. Am Montag fragt er bei Thrillerverlagen an, Dienstags bei den Fantasyverlagen und so weiter. Weil das gnadenlose Aussortieren bereits in Schritt 2 erledigt wurde und jeder der Berge nicht mehr als zehn Geschichten enthält, bietet er den Verlagen gleich das komplette Paket an. Jetzt beginnt für den Agenten das Warten. Jeder halbwegs fähige Verlag sollte aber in der Lage sein zehn Exposes innerhalb von zwei Wochen zu beurteilen. Ist der Literaturagent ein alter Bekannter, entfällt dieser Schritt. Der Verlag weiß, dass er von diesem Agenten nur hochwertiges Material bekommt. Warum nochmal großartig prüfen?

Sagen wir, der Verlag nimmt von zehn angebotenen Thrillern fünf Stück, darüber erhält der Agent sofort Bescheid und kontaktiert die glücklichen Schreiber. Alle Schitte zusammen nehmen höchstens zwei Wochen in Anspruch und verlangen nicht mehr als ein bisschen Organisation. Die Belohnung für den Literaturagenten wäre mehr Geld und Zeit, gleiches gilt für Autor und Verlag. Welchen Ansporn braucht es noch?

Sind die Götter gefallen?

Noch weilen die Literaturgötter in ihrem Olymp. Aber wie lange noch? So lange sie ihre Arbeitsprozesse nicht optimieren, steht ihr Geschäftsmodell in Frage. Denn selbst wenn ein Autor beim Self publishing gnadenlos auf die Nase fällt und insgesamt nur drei Bücher in den acht Wochen verkauft, hat er mehr verdient als wenn er acht Wochen auf eine mögliche Absage wartet. Bei meinem Beispiel Lust auf Strand wären das 4,47 Euro, dafür kriege ich bereits eine Currywurst.

Darum mein Aufruf, liebe Literaturagenten. Erhebt euch, optimiert euer Geschäft und lasst euch von den Self publishern nicht länger das Wasser um euren Olymp abgraben. Andernfalls müssten wir bald den Verlust einer schönen Zunft betrauern, die vielen Autoren durch dunkle Zeiten half und ihnen manche Qualen ersparte - sofern sie ihnen gnädig war.

Freitag, 21. November 2014

Wie du einen verdammt guten Thriller schreibst, der die Bestsellerliste sprengt (Teil 4)

Nachdem du gelernt hast was die Leser wirklich wollen, was einen großartigen Thriller ausmacht und aus welchen Grundbausteinen er besteht, wird es Zeit an die praktische Arbeit zu gehen. Bevor ich dir erkläre wie man einen Plot schreibt, solltest du aber noch ein wenig über deine Leser und über die Plattform, auf der du dein Buch veröffentlichen willst nachdenken. Wie versprochen wird es ab jetzt konkret, deshalb gehe ich mit gutem Beispiel voran:

Sinn und Zweck des neuen Thrillers:

Wie du vielleicht hier gelesen hast, bin ich mit meinen ersten Gehversuchen auf Wattpad ziemlich auf die Schnauze gefallen. Trotz allem gefällt mir das Handling dieser Plattform und ich möchte die dort vorhandenen Leser für meine Bücher begeistern. Um das zu erreichen, passe ich mich den Gegebenheiten von Wattpad an und entwickle einen Thriller speziell für diese Plattform. Fangen wir mit dem Titel an. Mein neues Werk taufe ich hiermit offiziell auf den Namen

"Es gibt nur eine Richtung"

Warum? Weil es die wörtliche Übersetzung des Slogans "There´s only one direction" ist, den die bei Wattpad-Nutzern extrem beliebte Teenie-Band One Direction verwendet. Bereits der Titel spricht somit die Zielgruppe an. Die Bestsellerliste auf Wattpad enthält in der Kategorie Thriller fast nur Fanfiction, in der die Bandmitglieder die gute oder böse Hauptrolle übernehmen.

Die Storyline in einem Satz festlegen

Beginnen wir jetzt mit dem Plot schreiben. Und zwar mit der Frage, die jeder Literaturagent und auch der Leser als Erste stellt: Worum geht es in deinem Thriller? Weil Literaturagenten niemals Zeit haben (oder einfach so tun als ob) und auch ein potentieller Leser nicht länger als zwei Sekunden mit Werbung belästigt werden will, musst du es schaffen die wichtigen Teile der Handlung in einen Satz zu packen. Man sollte sofort einschätzen können was einen in deinem Buch erwartet und ob es das richtige Buch für mich ist. Für meinen Beispielthriller habe ich mir folgendes ausgedacht:

Terroristen kapern den Aufzug des Burj Kalifa-Towers, in dem eine berühmte Popband eingesperrt ist und drohen ihn abstürzen zu lassen.

Damit habe ich Dinge untergebracht, die neugierig machen und außerdem den Titel des Thrillers erklärt.
  • Es gibt einen Hinweis auf den Bösewicht (die Terroristen)
  • Der Burj Kalifa-Tower in Dubai ist das zur Zeit höchste Gebäude der Welt. In dessen Fahrstuhl möchte niemand freiwillig stecken bleiben, schon gar nicht mit der Aussicht abzustürzen. (die Geschichte hat Spannungspotential)
  • Wer hier nicht mitliest, könnte sich fragen welche Popband gemeint ist. Du weisst natürlich, dass ich One Direction in den Aufzug stecken werde
  • Wie der Thriller ausgeht, deute ich bewusst nur an. Das hält die Spannung aufrecht
  • Kann ich mit dieser Geschichte Ängste und starke Emotionen erzeugen? Ja. Klaustrophobie und Höhenangst kommen vor, außerdem zittern die Wattpad-Leser um die Mitglieder ihrer Lieblingsband. Manch anderer wünscht vielleicht, dass die Terroristen gewinnen :-) Auch das ist Emotion.
Hast du deine Storyline festgelegt, kannst du auf Leser- und Agentenfang gehen. Frag in der Verwandschaft herum oder schicke Literaturagenten eine kurze Mail, in der du fragst was sie von der Idee halten. Hörst du ein "Wow! Erzähl mir mehr", beginnst du mit dem nächsten Schritt des Plots. Hörst du ein "Ach nee, das ist irgendwie nicht so mein Ding", ändere die Storyline. So testet du deinen Thriller auf Verkaufspotential bevor du das erste Kapitel geschrieben hast.

Setup, Sequenz und das Ende

Du hast ein Wow gehört und der Literaturagent verlangt weitere Informationen? Sehr gut. Damit bist du bereit für die nächste Stufe des Plot schreibens. Sie wird als Drei-Akte-Struktur bezeichnet und hat folgende Funktionen:
  • Als Autor hast du die wichtigsten Punkte der Geschichte immer im Blick
  • Du kannst diese Punkte mit einem Literaturagenten diskutieren
Wie sieht nun diese Drei-Akte-Struktur aus? Sie besteht aus der Einführung (Setup), einer Abfolge großer Katastrophen (Sequenz) und dem Ende, das sich aus dieser Sequenz ergibt. Gehen wir weiter ins Detail:

Der erste Akt, das Setup führt den Leser in das Setting ein. Beschreibe die Welt, in der deine Geschichte spielt und lasse die ersten Figuren auftreten. Sie müssen ihre Hauptleidenschaft noch nicht offenbaren und können erstmal blödsinnige Ziele haben. Du kannst aber auch gleich im ersten Absatz festlegen welches Ziel der Held unbedingt erreichen will. Das bleibt dir überlassen. In meinem Thriller mache ich es so:

Der Scheich von Dubai lädt One Direction in sein Emirat ein, wo die Gruppe als erste nichtarabische Band ein Konzert geben soll. Die Musiker folgen der Einladung und fliegen, zusammen mit ihrem Manager und einem Übersetzer hin.

Ich gebe meinen Figuren erstmal einen Grund nach Dubai zu fliegen. Irgendwie muss ich sie ja in den Aufzug des Burj Kalifa-Towers kriegen. An der Stelle baue ich noch einen kleinen Konflikt ein, der Emotionen im Leser weckt: Der Lead-Gitarrist hat wahnsinnige Höhenangst und will nicht in ein Flugzeug steigen.  Ohne ihn könnte die Band aber das Konzert nicht geben. Die anderen Mitglieder müssen diese Figur jetzt zwingen mitzukommen. Schaffen sie es nicht, geht die Story nicht weiter oder in eine andere Richtung.

In Dubai angekommen sieht sich die Band erstmal um und amüsiert sich ein wenig in den zahlreichen Einkaufszentren und Soukhs.

Das ist eine Gelegenheit Dubai (mein Setting) ein wenig zu beschreiben. Achtung! Hier lauert eine Falle! Wenn du einen Ort beschreibst, verwende nicht einfach irgendwelche Fakten und Namen. Denk daran, dass eine gute Geschichte von Emotionen lebt und dass sich der Leser in die Figuren hineinversetzen muss. Beschreibe besser was die Figuren hören (lautes, fremdartig klingendes Stimmengewirr), riechen (scharfe, exotische Gewürze) und sehen (mein ängstlicher Lead-Gitarrist blickt immer wieder beunruhigt zum elendig hohen Burj Kalifa-Tower, der wie eine Nadelspitze fast einen Kilometer in den Himmel ragt).
Erkennst du den Unterschied? Ich habe nicht jedes Detail des Towers exakt beschrieben. Das würde den Leser langweilen, abgesehen davon kann er die nackten Zahlen auf Wikipedia nachlesen. Dafür braucht es keinen Thriller-Autoren. Unser Geschäft sind Gefühle, und genau die werden mit Hilfe des Gitarristen vermittelt. Wer selbst Höhenangst hat, kann besonders gut nachfühlen wie er sich fühlt.

Am nächsten Morgen, zwei Tage vor dem Konzert, bittet Scheich Mohammed Alabbar zu einer Audienz in den Burj Kalifa-Tower. Der hat seine Privaträume dummerweise im 189sten Stockwerk, sprich: ganz oben. Wieder weigert sich der Lead-Gitarrist mitzugehen und wieder gelingt es der Band ihn mit Flehen und Betteln zu überreden. Blut und Wasser schwitzend betritt der Lead-Gitarrist den gläsernen Aufzug, der nach oben führt. Die anderen Bandmitglieder beruhigen ihn. Er schließt die Augen als der Aufzug losfährt und spricht ein Stoßgebet. Dann passiert es. Zwischen Etage 182 und 183 bleibt der Aufzug stecken.

Ich schicke meine Figuren jetzt zum eigentlichen Schauplatz des Dramas und sage dem Leser, dass sie sich in große Höhe begeben müssen. Damit kann ich den inneren Konflikt des Lead-Gitarristen sowie seinen äußeren Konflikt mit den anderen Bandmitgliedern weiter steigern. Bis jetzt hatte er den Kalifa-Tower nur angstvoll angestarrt und gehofft nicht hineingehen zu müssen. Mit der Einladung des Scheichs ändert sich die Situation dramatisch. Er muss den Wolkenkratzer nicht nur betreten, er muss auch noch bis ins oberste Stockwerk fahren. Das Ganze passiert in einem gläsernen Lift, von dem aus man wunderbar nach unten sehen kann. Seine Nerven (und hoffentlich auch die des Lesers) werden zum Zerreissen angespannt, als der Aufzug stecken bleibt. (Für den Gitarristen ist das ein real gewordener Albtraum).

Als sich der Aufzug nach einigen Schrecksekunden immer noch nicht bewegt, rastet der Lead-Gitarrist aus. Er fängt an herumzubrüllen und gegen die Glasscheiben zu schlagen. Als der Sänger ihn beruhigen will, fängt er sich einen Faustschlag ins Gesicht ein. Der Sänger will zurückschlagen. Seine Lippe ist aufgeplatzt. Er schreit den Gitarristen an und fragt wie er mit einem verletzten Gesicht auftreten soll. Nicht einmal dem verdammten Scheich könnte er jetzt mit seinen blutenden Lippen gegenübertreten, falls der Aufzug irgendwann weiterfährt. Auch die anderen Bandmitglieder sehen das Konzert in Gefahr und reden wütend auf den Gitarristen ein. Der Manager schreitet ein und spricht ein Machtwort. Er droht die Band aus dem Plattenvertrag zu werfen wenn sie sich nicht sofort beruhigt.

Erneut lasse ich die Emotionen hochkochen und schaffe neue Konflikte. Die ganze Karriere der Band ist plötzlich in Gefahr. Ich will aber kein Drama über eine Musikband schreiben sondern einen Thriller. Deshalb breche ich den Streit meiner Figuren aprupt ab und mache gleichzeitig die Machtposition des Managers klar. An der Stelle finde ich, dass die Figuren gut genug eingeführt und der Leser emotional an sie gebunden ist. Es ist an der Zeit die eigentliche Geschichte einzuleiten.

Nur langsam beruhigen sich die Bandmitglieder. Alle atmen tief durch und versuchen ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. In diesem Augenblick rast der Aufzug fünfzig Stockwerke im freien Fall nach unten. In der 133. Etage wird er brutal abgebremst, dann fährt er mit normaler Geschwindigkeit zurück in seine Ausgangsposition. Die Bandmitglieder schreien vor Angst, der Manager schafft es mit Mühe sich zu beherrschen. Durch das scharfe Bremsen werden ihre Körper hart gegen den Boden oder die Glaswände geschleudert, alle tragen ein paar Blessuren davon. Starr vor Angst registrieren die Eingeschlossenen wie der  der Aufzug in seine alte Position zurückkehrt.

Bevor ich meinen Bösewicht einführe, deute ich dem Leser an was passiert wenn die Geschichte schlecht ausgeht. Diese Technik ist aus dem Mittelalter bekannt wo der Folterknecht dem Delinquenten zuerst seine Werkzeuge zeigt bevor die eigentliche Folter beginnt. Spätestens jetzt sollten dem Leser die Nackenhaare quer stehen. Aber es kommt noch schlimmer...

"Na ihr Arschlöcher? Gut angekommen?" flüstert eine bedrohlich klingende Fistelstimme aus dem Lautsprecher an der Decke des Lifts. Niemandem war dieser Lautsprecher zuvor aufgefallen. Der Sänger entdeckt jetzt auch die neben dem Lautsprecher angebrachte Kamera, über die das für den Lift zuständige Sicherheitspersonal die Fahrgäste beobachten kann. "Richtig geraten. Ich kann euch sehen", bestätigt der unbekannte Sprecher. Dann erklärt er was er von der Band will und was passiert wenn er es nicht bekommt. One Direction soll innerhalb von vier Stunden zwanzig Millionen britische Pfund auf ein Schweizer Nummernkonto einzahlen. Im Schacht des Aufzugs befinden sich vier Bomben. So lange das Geld nicht eingetroffen ist, wird jede Stunde eine dieser Bomben explodieren und eine der lebenswichtigen Halterungen des Aufzugs wegsprengen. Ist nach vier Stunden immer noch nicht bezahlt, rast der Lift zusammen mit den Fahrgästen exakt 599, 58 Meter ungebremst nach unten...

Damit ist meine Einleitung, das Setup, abgeschlossen. Der Leser kennt das Setting und kann sich emotional in die Heldenfiguren versetzen. Er hat einige Konflikte erlebt und sollte bereits mit den Figuren leiden. Bei den  Nebenfiguren habe ich einen bisher noch  wenig bekannten Scheich eingeführt und dem Bandmanager einen Charakter (harter Geschäftsmann) gegeben. Am Ende des Aktes lasse ich den Bösewicht auftreten und seine Position klarmachen. Wir wissen noch nicht wie er aussieht, aber genau was er will. Die Drohung ist eindeutig. Als letzter Knalleffekt folgt die erste große Katastrophe, die den Akt abschließt. Sie zwingt meine Figuren zu handeln. Sie müssen etwas unternehmen, sonst sterben sie.

Jetzt würdest du gerne wissen wie es weitergeht, nicht wahr? Ich verrate es (noch) nicht und spanne dich bis zum nächsten Teil meines Workshops auf die Folter. Genau so wie der Leser gezwungen wird zum nächsten Kapitel weiterzublättern. Auch das gehört zum Thriller schreiben.

Hier gehts zu
Teil 1
Teil 2
Teil 3

Freitag, 7. November 2014

Wie du einen verdammt guten Thriller schreibst, der die Bestsellerliste sprengt (Teil 3)

Nachdem du gelernt hast was die Leser wirklich wollen und was einen großartigen Thriller ausmacht, lernst du heute die Grundbausteine eines Thrillers kennen. Prinzipiell besteht er aus vier Hauptelementen.

 

1. Das Setting: Die Bühne für deinen Thriller

Die meisten Thriller spielen in einer Großstadt wie London oder New York. Willst du dem Leser etwas besonderes bieten, denke größer oder kleiner. Dan Brown beispielsweise schickt seinen Helden in "Sakrileg" durch halb Europa. Das glatte Gegenteil ist der Film "Nicht auflegen!". Er spielt in einer Telefonzelle. Wie klein oder groß dein Setting wird, hängt vom Gefühl ab, das du beim Leser erzeugen willst. Sehr kleine Settings erzeugen das Gefühl klaustrophobischer Enge, bei den großen entsteht der Eindruck, dass Millionen von Menschen bedroht sind. Willst du, wie Dan Brown, über eine Weltverschwörung schreiben oder einen Superschurken a la James Bond erschaffen, brauchst du eine große Welt. Planst du ein Kammerspiel, in dem es nur den Mörder, das Opfer und vielleicht einen Kommissar gibt, nimmst du ein kleines Setting.

Damit deine Welt realistisch wirkt, musst du ein wenig recherchieren. Typische Ansatzpunkte sind:
  • Geografie (Stadtteile, Bundesstaat, Landesgrenzen, etc.) - hier nimmst du einen aktuellen Atlas zur Hand oder schaust dir die Sache mit Google Maps an. Auch Wikipedia liefert passende Infos.
  • Menschen, Tiere, Pflanzen (hier leisten Reiseführer gute Dienste)
  • Historisches
  • Politik, Wirtschaft, Religion, Soziale Strukturen
  • Essen, Trinken, Entertainment-Angebote
  • Sprache und Dialekt, Zwischenmenschliches, Sex und Beziehung
Ob du davon alles brauchst oder nur einen Teil hängt von der Geschichte ab. Wichtig ist, dass du dein Setting in- und auswendig kennst, denn es bestimmt welche Art von Thriller möglich ist. Außerdem sorgt ein gut recherchiertes Setting dafür, dass deine Geschichte realistisch wirkt. Willst du nicht selbst recherchieren, beauftrage einen VPA damit. Was das ist, habe ich in Teil 2 dieses Workshops erklärt.

 

2. Charaktere

Hast du deine Welt erschaffen, musst du sie bevölkern. Jeder Hauptcharakter, egal ob gut oder böse, hat eine Vergangenheit, über die du dir Gedanken machen solltest. Wodurch wurde beispielsweise der Schurke böse? Die Vergangenheit bestimmt wie eine Figur auf Ereignisse in der Gegenwart reagiert. Sie kann auch seine Handlungsfreiheit einschränken. Wie echte Menschen haben auch Romanfiguren heimliche Begierden und sehnen sich nach abstrakten Dingen wie Liebe und Geld. Im Gegensatz zu den meisten echten Menschen streben Romanfiguren immer auch nach einem konkreten Ziel - und zwar mit voller Kraft. Sie schrecken nicht vor Hindernissen zurück und werfen alles in die Waagschale. Ein paar Beispiele:

  • Sehnt sich der Held nach Liebe, wird er dafür im Thriller buchstäblich über Leichen gehen. Ein Beispiel dafür ist Donald Ramsey, der Protagonist in Simon Becketts "Voyeur".
  • Das Gegenteil von Liebe ist Hass. Der Schurke, der die Welt hasst, wird alles tun, um sie in die Luft sprengen zu können.
  • Bei krimiartigen Thrillern kommt oft Geldgier vor.
  • Fanatischer Glaube kann dafür sorgen, dass eine Mutter ihr Kind auf grausame Weise zu Tode foltert. Wer mich kennt, darf jetzt gerne "Schleichwerbung!" schreien. Denn genau das passiert in "Das rote Kreuz", einem Werk aus meiner Feder. 

Die Leidenschaft oder Überzeugung, die einen Charakter antreibt, macht ihn für den Leser interessant. Außerdem ermöglicht sie Konflikte. Lege der Figur jede erdenkliche Katastrophe in den Weg. Überwindet ein Held schlimme Desaster, wachsen seine Fähigkeiten. Und er kann noch schlimmere Katastrophen aushalten, die du gerne auf ihn loslässt. Am Ende entscheidest du, ob er sein Ziel tatsächlich erreicht (Happy End) oder nicht (tragisches oder offenes Ende).

 

3. Der Plot

Nachdem du die Bühne und die Besetzung für deinen Thriller hast, kommt als nächstes die Handlung. Sie wird in einem Plot festgelegt, der wie ein Drehbuch in einzelne Szenen unterteilt ist. Jede Szene dient dazu die Handlung voranzutreiben und muss zwingend etwas mit den Hauptcharakteren zu tun haben. Im echten Leben können Dinge einfach so passieren, im Roman nicht. Wie das Plotten genau funktioniert, erkläre ich im nächsten Teil dieses Schreibkurses.

 

4. Das Thema oder die Geschichte hinter der Geschichte

Jeder Autor will seinen Lesern etwas mitteilen oder sie von einer bestimmten Sache überzeugen (Siehe Teil 2 des Workshops). Das Thema kann banal sein, etwa "Jeder Mensch braucht Liebe" oder "Verbrechen zahlt sich nicht aus", es darf aber gerne auch intellektuelle Tiefe haben. So stellt beispielsweise Frank Schätzing in seinem Sci-Fi-Thriller "Limit" die Frage wie weit menschliche Profitgier im Kampf um die letzten Rohstoffe gehen kann. Bedenke bei der Wahl des Themas immer, dass dein Thriller vor allem emotionale Tiefe haben muss. Kommt intellektuelle Tiefe hinzu, umso besser. Aber niemals darf das Intellektuelle schwerer wiegen als die Emotionen. Gerade Herr Schätzing versteigt sich oft in psychologische Betrachtungen und wissenschaftliche Erklärungen, die der Leser gar nicht braucht oder will. Lies einfach mal die Kritiken zu "Limit" auf Amazon, dort findest du genau diese Vorwürfe.

Achtung! Besonders Autoren, die den Leser von irgendetwas überzeugen möchten, stolpern häufig über den Fehler zuviel Wert auf das Thema zu legen - und vergessen dabei das Thriller schreiben. Dazu gehört auch ein gutes Setting, perfekt ausgearbeitete Charaktere und ein spannender Plot. Es kann auch passieren, dass sich deine Geschichte irgendwie künstlich anfühlt, weil du verzweifelt versucht hast einen Plot um das Thema zu wickeln. Lass es sein. Mach erst den Plot, schau dir die einzelnen Szenen an und versuche dann das Thema zu finden. In den meisten Fällen funktioniert es.

Im nächsten Teil zeige ich an einem konkreten Beispiel wie das Plot schreiben funktioniert. Anders ausgedrückt: Es wird konkreter, denn ab jetzt erlebst du live die Entstehung meines nächsten Thrillers. Beginnend bei der Grundidee bis hin zum Veröffentlichen des Buches.

Du kennst die anderen Teile dieses Workshops noch nicht? Hier gehts zu
Teil 1
Teil 2